Liebe Gemeinde!
Vielleicht ist es Ihnen auch schon aufgefallen, dass es viele Artikel und Bücher gibt, was man tun könnte, damit die Kirche für die Menschen wieder einladender und interessanter wird. Dabei machen die wohlmeinenden Autorinnen und Autoren einen entscheidenden Fehler: Sie gehen davon aus, dass die Kirche wirklich noch wachsen will. Sicher, alle sagen, dass sie wollen, dass ihre Gemeinde wächst, aber viele meinen damit, dass Sie sicher gehen wollen, dass Ihre Gemeinde nicht stirbt.
Wachsen zu wollen und den Tod zu vermeiden sind aber zwei völlig verschiedene Dinge. Deshalb habe ich für alle, die diese Wachstumsgeschichte ausprobiert haben und festgestellt haben, es ist nichts für sie, 12 Schritte aufgestellt, wie man die eigene Gemeinde verkleinern kann:
1. Wann immer eine junge Familie, die noch nie (oder schon lange nicht mehr) in der Kirche war, ein kleines Kind zu beruhigen versucht, dass noch nicht weiß, wie „man“ sich in einer Kirche zu benehmen hat, weisen Sie die Eltern bitte sofort darauf hin, besser noch, kritisieren Sie ihre Fähigkeiten als Eltern, damit sie ja nicht wiederkommen.
2. Das nächste Mal, wenn jemand in die Kirche kommt, der etwas anhat, was „man“ in einer Kirche einfach nicht trägt, sagen Sie es ihm gleich, oder starren Sie ihn so lange an, bis er oder sie sich unwohl fühlt.
3. Jedesmal wenn jemand neuer in unserer Gemeinde mitarbeiten will, stellen Sie bitte sofort sicher, dass er genau weiß, wie „die Dinge hier laufen“!
4. Beim Pfarrcafe setzen Sie sich bitte immer nur zu Leuten, die Sie schon gut kennen. Jemand neuer wird schon irgendwo anders einen Sitzplatz finden.
5. Sollte ich je auf die Idee kommen, Sie während der Predigt etwas zu fragen, dann geben Sie nur Antworten, die im Katechismus stehen oder in der Bibel. Keinesfalls geben Sie Fernstehenden das Gefühl, bei uns wäre es erwünscht, selbst zu denken, traditionelle Interpretationen zu bezweifeln, oder gar die eigene Lebenserfahrung zur Sprache zu bringen.
6. Bitte ignorieren Sie jede leidvolle Erfahrung und jeden, der gerade eine schwere Zeit durchmacht. Wir wollen bei uns in der Kirche nur Menschen die grinsen und verdrängen.
7. Wenn sich jemand Neuer zu uns verirrt, dann fragen Sie ihn bitte gleich über sein ganzes Leben aus. Aber bitte nicht direkt, sondern nur durch die Hintertür.
8. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Gottesdienste so langweilig und unflexibel wie möglich sind. Vergessen wir nicht, ausführliche Regelwerke zu erstellen, was genau wann zu erfolgen hat. Und dass niemand auf die Idee kommt, zu lachen, Freude am Gottesdienst oder aneinander zu haben!
9. Wenn wir schon über Sünde sprechen, dann bitte über die Sünde der anderen. Es ist nicht nur leichter als über die eigenen Sünden zu sprechen, sondern wir fühlen uns auch gleich viel besser.
10. Technik, Filme, Internet und Facebook sind böse und haben in der Kirche nichts verloren.
11. Neuankömmlinge werden in Zukunft gebeten, während des Gottesdienstes aufzustehen und nach vorne zu kommen, damit sie jede und jeder gut sehen kann (außerdem sind die hinteren Plätze für die Alteingesessenen reserviert).
12. Wir sollten auch niemals erklären, was wir (warum) tun. Jede und jeder, der es wissen muss, weiß es schon. Und jedes Mal zu erklären, dass man bei uns zum Beispiel die Kommunion in jeder Messe in beiderlei Gestalten empfangen kann, braucht auch zu viel Zeit.
Ich muss gestehen, dass mir diese Gedanken nicht selbst gekommen sind, ich habe sie von April Fiet abgeschrieben. Meine Übersetzung ist frei, ich hoffe nur etwas vom ursprünglichen Geist weiterzugeben. Schließlich wollen wir alle nicht, das unsere kleine Gemeinde wächst und anziehend für neue Menschen wird. Dabei müssen wir nicht alle Regeln umsetzen, ein paar werden schon reichen.
Ich bin mir sicher, Ihnen allen fallen auch noch Regeln ein, um eine weitere Schrumpfung der Gemeinde zu erreichen. Schreiben sie Sie mir doch unter kurat(at)schmuckerau.at Die besten werden veröffentlicht.
Ihr Kurat
Tom Kruczynski